14.5.-15.5.16 Heimattage in Ulm

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„Zwo Schwowe uff Weltreise“ oder wu red’ mer heit noch „schwowisch“

 

„Was kann mer denn heint iwer uns Banater Schwowe noch verzähle? Mir wisse ja, dass mir do in Deitschland alli breit vertoolt sin un sich vieli Tanzgruppe zammgschloss han. Awer wu lewe denn heintzutoch sunscht noch Schwowe? Un kenne die noch alli „schwowisch“?“

Eine Antwort auf diese Fragen gab das diesjährige Kulturprogramm der DBJT während der Heimattage am Pfingstwochenende in Ulm. Es trug den vielversprechenden Titel  „Zwei Schwowe reisen um die Welt. – Wo leben die Banater Schwaben heute?“ Die Idee dazu hatte Melanie Müller aus Karlsruhe. Sie führte dabei nicht nur Regie, aus ihrer Feder stammten auch die Texte der beiden Moderatoren – Melanie und Patrick.

Die Geschwister Melanie und Patrick (gespielt von Melanie Furak und Patrick Polling) haben Sommerferien. Während Patrick einfach nur die Sonne genießen und im heimischen Garten entspannen will, möchte seine Schwester etwas erleben. Nur widerwillig lässt sich Patrick auf Melanies Vorschlag ein, mal wieder den Großvater (Patrick Stanek) zu besuchen. Der alte Mann ist sichtlich erfreut über den unerwarteten Besuch seiner Enkel. Als diese ihm jedoch von ihrem Problem erzählen und um Hilfe bitten, ist guter Rat teuer, denn was soll man so jungen Leuten empfehlen, die während der Sommerferien etwas Spannendes unternehmen möchten.

Großvaters Vorschlag, sich mit Freunden aus der Tanzgruppe zu treffen, stößt bei den Geschwistern jedoch genauso wenig auf Begeisterung, wie sein Angebot ihnen etwas über die 300-jährige Geschichte der Banater Schwaben zu erzählen. Vor allem Patrick hat wenig Interesse an den alten Geschichten: „ Awer Otta, des is schun so lang her. Des will doch kenner mehr wisse.“

Aber so schnell lässt sich der alte Mann nicht entmutigen und entgegnet: „Jo awer Patrick, weest du denn wirklich schun alles iwer uns Schwowe? Wu lewe mir denn heintzutoch iwerall ausser in Deitschland, weest du des?“

Jetzt werden Melanie und Patrick doch neugierig.

Und dann hat der Großvater die Idee – eine Reise ist die Lösung. Aber nicht irgendeine, sondern eine Reise einmal um die Welt.

So machen sich Melanie und Patrick denn auf eine Entdeckungsreise rund um den Globus, um herauszufinden, wo auf der Welt auch heute noch Banater Schwaben leben, wo „schwowisch“ gesprochen und das Banater Brauchtum weitergeführt wird. Dabei treffen sie Verwandte, Freunde und Landsleute und erleben wo und wie Tradition und Moderne vermischt werden.

Zu Beginn ihrer Reise steht zunächst der Besuch in Bayern an. Sie fahren zur Cousine nach München, dort ist das Oktoberfest gerade voll im Gange.

Cousine und Freunde warten schon sehnsüchtig auf die beiden „Endlich seid dir do. Mir han uns schun gfrot, wann dir endlich mol uftaucht.“ Ans Ausruhen nach langer Zugfahrt ist nicht mehr zu denken, denn jetzt ist erst einmal Bewegung angesagt und so lassen sich Melanie und Patrick auch nicht lange bitten, als es heißt, „kennt ihr den Tanz noch, den mir letztes Johr zamm gelernt han – den Boarischen?“ – „Natierlich!“ In Dirndl und Krachledernen wird getanzt, gefeiert und die Nacht zum Tag gemacht.

Am nächsten Tag müssen Melanie und Patrick schon wieder weiter. Ihre Reise führt sie zu Bekannten aus der alten Heimat, nach Rumänien ins Banat, nach Temeswar. Hier geraten sie mitten in eine große Festivität. Junge Paare in schmucken Festtagstrachten tummeln sich auf dem Marktplatz und präsentieren verschiedene Tänze. Patrick ist völlig überrascht und fragt sich, was denn der Anlass für dieses Fest sei. Aber Melanie weiß Rat. Hatte nicht der Großvater von der Befreiung Temeswars durch die Heere Prinz Eugens vor 300 Jahren erzählt und dem damit verbundenen Beginn des großen habsburgischen Kolonialwerks im Banat, mit dem die Geschichte der Banater Schwaben begann? Und genau dieses Ereignis feiern die Menschen. Dem kann Patrick nur zustimmen und fügt hinzu: „Mer muss derzu soon, dass die do och noch die gleichi Tänz tanze, wie mir. Woost du noch letztes Johr, als mir so uff den Heimmatagen wore? Mir hatte so viel Spaß mit unsri Freind aus Temeswar.“

In Erinnerungen schwelgend überlegen die Geschwister, ob sie nicht mit einer Tracht im Gepäck weiterreisen sollen. Besonders Patrick gefällt der Gedanke: „Des wär e gudi Idee. Dann kennt mer zeige, wie die Trachte bei uns ausschaun un uns mit di annri austausche.“ Viel Zeit bleibt den Geschwistern aber nicht, sie haben einen engen Zeitplan und müssen auch schon weiter.  Denn bevor sie den europäischen Kontinent in Richtung Amerika verlassen, steht noch der Besuch in Ungarn und Österreich an. Mit im Gepäck ist ab diesem Zeitpunkt eine Alltagstracht, denn die ist bequemer und leichter als die Kirchweihtracht!

In Ungarn werden sie dann mit einem feurigen und landestypischen Csardas empfangen. „For jungi un junggebliebeni natürlich. Wie bei uns!“, erklärt Melanie und ist ganz aufgeregt, denn schon geht’s weiter nach Österreich.

Auch hier wartet man schon ganz ungeduldig auf die beiden. „ Newer unsre typisch banatschwäbische Tänz, iewe mir unner anrem och Theatersticke usw. ein. Mir han for eng heint was ganz besonderes vorbereitet. Mir zeige eng e Medley aus dem Stick „Im weißen Rössl“. Seid gspannt, mir lege gleich los.“ Miriam hat nicht zu viel versprochen, denn die bekannten Melodien, die live von Melitta Giel und Irmgard Holzinger-Fröhr in feschen roten Dirndln gesungen werden, laden zum beschwingten Tänzchen ein. Ein schöner Abschluss auf dem europäischen Kontinent, bevor Melanie und Patrick ins Flugzeug steigen und ihre Reise fortsetzen, um Familie und Freunde zu besuchen.

Ihre erste Station über dem großen Teich führt sie nach Südamerika, nach Argentinien. Nach langem anstrengenden Flug werden sie dort, der Großvater hatte ihre Ankunft bereits angekündigt, schon sehnsüchtig von ihrer Großtante erwartet: „Die ganzi Tanzgruppe gfreit sich schun uf eng! Unser Fest ist schun in vollem Gange.“ Eine schwowische Tanzgruppe in Argentinien, damit hatten Melanie und Patrick nicht gerechnet. „Na sicher, mir misse unser Brauchtum doch weiterfihre. Awer heint zeig mer eng mol was annres. Newer unsri banatschwäbische Tänz, iewe mir och landestypische Tänz ein“, erklärt die Großtante bevor sie gemeinsam mit der Tanzgruppe gekonnt einen Tango aufs Parkett legt. Melanie ist noch ganz berauscht von den Tangoklängen „Wow, daes han ich jo noch nie gsiehn. Es ist so scheen, die verschiedeni Kulture kennenzulerne.“ Auch Patrick ist noch ganz begeistert von dem Gesehenen. Viel Zeit zum genießen bleibt ihnen allerdings nicht, denn „der Flug nach Brasilien geht schun in e poor Stund. Ich bin sehr gspannt, was uns dort erwartet!“

Zur Überraschung der Geschwister gibt es auch in Brasilien eine banatschwäbische Tanzgruppe. Viele Banater Schwaben haben sich hier vor vielen Jahren angesiedelt und haben sich in das Leben der Einheimischen integriert, viele landestypische und somit neue Traditionen angenommen. Ihre alte Heimat und die damit verbundenen Bräuche möchte aber keiner vergessen. Deshalb treffen sie sich regelmäßig zum Tanzen der alten Tänze oder aber auch einfach so, um sich auszutauschen. Es gab sogar schon einige Auftritte. „Die Leit fande des super un des macht uns sehr stolz. Seit einiger Zeit lerne mir och die do übliche Tänz, uff unsri ganz eigene Art. Mir zeige eng heint uff des bekannte Lied „Mas que nada“ unsere Samba. Schaut zu, ich hoff, es gfallt eng!“, erklärt Lisa-Maria bevor sie sich schnell in Position stellt.
Nach den heißen Rhythmen Brasiliens geht es auch schon weiter ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten, in die USA.
Ihre erste Station führt Melanie und Patrick nach Kalifornien, nach Los Angeles. Begrüßt werden sie von einer großen Kinderschar, die in schmucker Kirchweihtracht die Aha-Polka tanzt. Im Anschluss bringen die Jugendlichen mit einem temporeichen Rock `n`Roll Medley die Bühne zum beben. Melanie ist begeistert: „Wow, do gsieht mer mol wieder wie gut Tradition und Moderne kombiniert were kenne! Wie vieli Kinner Polka tanzen kenne.“ Patrick will’s aber genauer wissen: „Wie schafft ihr des, dass sich vor allem so vieli Jugendlichi un och Kinner for unser banatschwäbisches Brauchtum begeistre?“ Sichtlich stolz versucht Lukas den Grund für den Erfolg und die Begeisterung der Mitwirkenden zu erklären: „Vieli Eltre mechte einfach, dass ihre Kinner net vergesse, wu sie herkumme. Mir versuche einfach, e gsunde Mix zu finne. Vor allem bei unsri Klennschti steht der Spaß im Vordergrund, des derf mer nie vergesse!“
Lange verweilen können die Geschwister auch hier nicht, denn schon geht es weiter nach Cleveland in Ohio. Die Wiedersehensfreude ist groß, denn einige der dort lebenden Banater Schwaben haben Melanie und Patrick während deren Deutschland-Tournee vor einigen Jahren kennengelernt. Dank der sozialen Netzwerke ist der Kontakt nie abgebrochen. Die Geschwister kommen genau richtig, um bei einem Football-Spiel, dem Sport der USA, live dabei sein zu können. Das Spiel ist schon voll im Gange, weshalb Melinda die beiden herzlich aber nur ganz kurz begrüßt „Schaut mol dort driwwe, mir sin grod mitte in eim Footballspiel. Des is natierlich typisch Amerika, ich wooß. Awer es gheert halt for uns derzu. Während die Jungs spiele, feire mei Freundinne aus der Tanzgruppe un ich se immer an. Wir sin nämlich auch Cheerleader.“
Dass die Jungs außer dem harten Sport auch noch super tanzen können, stellen sie aber kurz nach dem Spiel unter Beweis. „Kummt nor näher, mir zeige eng, was mir in unserer Freizeit newer den Banater Tänzen noch so mache.“ Und schon fliegen die rot-schwarzen Pompoms, Beine werden gen Himmel gestreckt, die roten kurzen Röcke schwingen und die Jungs zeigen bei den akrobatisch anmutenden Figuren, welche Kräfte in ihnen schlummern.

Aber so schön die Zeit auch ist, die Ferien neigen sich dem Ende zu und die Geschwister müssen wieder nach Hause. Melanie und Patrick sind noch ganz berauscht von den vielen Ereignissen, Begegnungen, von all dem, was sie erfahren und erlebt haben. Besonders beeindruckt sind die beiden von der Tatsache, dass noch fast alle „schwowisch“ sprechen können. „In ihrem Alltag redde alli ihre Landessprache, awer wenn se derhoom sin oder sich als Gruppe treffe, werd nor schwowisch gred,“ erklärt Melanie und Patrick fügt hinzu: „Netmol bei uns klappt des bei jedem, weil einfach so viele verschiedene kulturelle Eindrücke auf uns einprassle.“

Zuhause in der schönen Pfalz werden sie vom Großvater und den Mitgliedern der Tanzgruppe schon sehnsüchtig erwartet. Doch bevor die Geschwister von ihren Erlebnissen erzählen, wird erst einmal richtig gefeiert und getanzt. Denn in Frankenthal ist gerade ein großes Fest im Gange und somit ein perfekter Abschluss für einen wundervollen Sommer, der den Geschwistern noch lange in Erinnerung bleiben wird.

Rückblickend auf die vergangenen Wochen sind sich Melanie und Patrick völlig einig:
„Mir sin stolz, Banater Schwowe zu sein!“

Abschließend waren alle Anwesenden auf der Bühne und in der Halle eingeladen gemeinsam mit der DBJT-Band das Lied „An Tagen wie diesen“ von den Toten Hosen zu singen.

Denn mit dem Ende der Weltreise ging auch das Programm der DBJT am Pfingstsonntag zu Ende. Ein Programm das das Publikum in der Halle in eine andere Welt entführt und Jung und Alt gleichermaßen begeistert hat. „Ich fand das Programm frisch, jugendgerecht, zeitgemäß, authentisch aber auch teils traditionell und geschichtlich beeinflusst. Also auch lehrreich für Jugendliche oder gar für so manchen Erwachsenen“ resümierte ein begeisterter Besucher. Besonders angetan waren Viele von der Aha-Polka der ca. 40 Kinder aus allen Banater Trachtengruppen. Es war eine Premiere, die Polka wurde erstmals vor Publikum gezeigt, das sich für den Auftritt mit viel Applaus und „Zugabe-Rufe“ bedankte. Die Polka, choreographiert von Stefanie Timmler, hatten die Kinder übrigens erst am Gruppenwochenende im März gelernt und bis zu den Heimattagen jeweils zu Hause ein bisschen geübt. Viele Gäste hatten Tränen in den Augen, „weil das so schön war.“ Um es mit den Worten eines Besuchers zusammenzufassen, „Es war den Kindern und Jugendlichen anzusehen, mit wie viel Freude und Spaß sie sich heute hier gezeigt haben.“ Als „das beste Programm seit ich die Heimattage besuche und das sind mehr als zehn dieser Veranstaltungen gewesen“, bezeichnete es eine Besucherin und fügte abschließend hinzu während sie unablässig applaudierte, „die eineinhalb Stunden waren kurz – ich hätte noch gerne länger zugeschaut“.

Ein großes Lob wurde an den Vorsitzenden der DBJT Harald Schlapansky herangetragen, das diesen sichtlich mit Stolz erfüllte: „Man sieht es den Jugendlichen an, dass ihnen die Aufführungen Spaß machen und eine gute Stimmung in der DBJT herrscht.“

An dieser Stelle sei ein herzliches Dankeschön an alle Mitwirkenden auf und hinter der Bühne ausgesprochen, denn ohne sie, wäre ein solches Programm nicht zu stemmen gewesen. Zunächst gilt der Dank allen teilnehmenden Trachtengruppen. Beteiligt waren die Gruppen aus dem Banat, aus Crailsheim, Frankenthal, Spaichingen, Singen, Reutlingen, Ingolstadt, München, Würzburg, Nürnberg, Esslingen, Rheinstetten und nicht zu vergessen die Kinder aus jedwelchen Gruppen mit ihrer gelungenen Tanzpremiere der „Aha-Polka“. Vielen Dank den Moderatoren Melanie Furak und Patrik Polling, die als reiselustiges Geschwisterpaar durch das Programm geführt haben und nicht zuletzt Patrick Stanik als Großvater.

Doch nicht nur den Mitwirkenden auf der Bühne gilt ein herzliches „vergelts Gott“, auch die vielen Helfer hinter der Bühne seien hier erwähnt. An erster Stelle natürlich Melanie Müller aus Karlsruhe, die das ganze Programm auf die Beine gestellt und die Abläufe geplant hat und die vermutlich den größten Stress gehabt hat, nur weil sie einmal was anderes machen und zeige wollte. Ein Dank geht auch an Günter Kaupa aus Würzburg, verantwortlich für die musikalischen Darbietungen der DBJT Band. Ohne ihn gäbe es diese Band nicht. Er ist derjenige, der die jungen Leute zweimal im Jahr zusammentreibt, Musikstücke vorbereitet und mit ihnen übt. Der Dank gilt somit auch den Mitgliedern der Band für die musikalische Begleitung des Programms. Nicht zu vergessen ist die Technik, ohne Maximilian Wagner wäre niemand in den Genuss des Programms bekommen. Er ist den Mann im Hintergrund, der die Regler zur richtigen Zeit hochzieht, die Musik an der passenden Stelle abspielt und dafür sorgt, dass immer Saft auf den Mikros ist.
Zu guter Letzt ein herzliches Dankeschön den vielen unsichtbaren Helfern, die hier nicht einzeln genannt werden können. Sie sind mindestens genauso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger, denn ohne sie würde das alles nicht funktionieren – danke für die Zeit, Nerven und Geduld, die in dieses Programm gesteckt wurden.

Ein besonderer Dank gilt der Landsmannschaft für die Unterstützung in allen Situationen und bei allen anfallenden Problemen, dem Bundesvorsitzenden Peter-Dietmar Leber für seine Geduld und Toleranz, dem DBJT-Vorsitzenden Harald Schlapansky für sein Vertrauen und seine Unterstützung und Ermunterung auch was Neues auszuprobieren.

Ein passendes und abschließendes Resümee des Kulturprogramms des DBJT gab Patrick Polling in seiner Moderation: „Egal wu mir Banater Schwowe lewe, mir han alli eine gemeinsame Vergangenheit un mir alli versuche, unser Brauchtum und unsre Tradition weiterzufihre. Mer muss einfach nor e gesundi Mischung aus Moderne und Tradition finne, dann kann mer sowohl die Jugendlichi aus den eigenen Reihe, als auch die Hiesigi for uns begeistre“, denn  dann schreiben wir unsere 300-jährige Geschichte fort.

 

Ines Szuck